„Werte sichern Unternehmensexistenz“

Veröffentlicht am 3. Juli 2018

Interview mit Prof. Ronald Gleich, SITE, EBS Universität für Wirtschaft und Recht und aktueller Kooperationspartner bei der Grundlagenforschung zum Thema Werte und Wertebildungsprozesse.

Professor Dr. Gleich, Sie leiten als Vorsitzender der Institutsleitung das Strascheg Institute for Innovation, Transformation & Entrepreneurship (SITE) der EBS Universität. Welche Rolle spielt das Thema Werte in diesem Kontext?

Wir haben in unserem Institut einen starken praxisorientierten Fokus und begleiten Wirtschaftsunternehmen eng mit ihren aktuellen Herausforderungen. Eine dieser Herausforderungen im globalisierten Wettbewerb ist das „richtige“ Verhalten von Unternehmen, die zunehmend kritisch auf ökologische und soziale Produktionsbedingungen hinterfragt werden. Deshalb haben wir uns dem Thema Wertewandel, das früher fast ausschließlich von Soziologen, Philosophen, Theologen oder Politologen behandelt wurde, zugewendet und in den Kontext der betriebswirtschaftlichen Forschung gestellt. 

Welche Funktion können und sollen Werte in der heutigen Gesellschaft – und vor allem der Wirtschaft – übernehmen?

Persönliche und gesellschaftliche Werte spielen als Richtschnur des Handelns immer eine wichtige orientierungsleitende Rolle. Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung, unsere Einstellungen und damit auch unsere Handlungen. Somit wirken sie sich nicht nur auf unser Privatleben, sondern auch auf unser Verhalten im beruflichen Umfeld aus und dienen dort als Leitprinzipien unseres Handelns. Auch wenn Ökonomie und Ethik nicht immer konfliktfrei miteinander harmonieren, helfen Wertorientierungen dabei, die Existenz von Unternehmen nachhaltig zu sichern. Werte wie Verlässlichkeit, Integrität, Leistung, Vertrauen oder Respekt sind für Kunden schlagende Argumente, auch in Zukunft Kunde zu bleiben.

Geben Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit: Wie können Werte wissenschaftlich gemessen werden?

Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es verschiedene Messansätze für persönliche Werte. Eines der bekanntesten und erst kürzlich überarbeiteten Rahmenwerke ist die „Refined Theory of Values“ von Shalom Schwartz, die die persönlichen Werte eines Menschen erfasst und in Beziehung zueinander stellt. Sie umfasst insgesamt 19 einzelne Werte und misst diese mit 57 konkreten Fragen zu den individuellen Prioritäten eines Menschen im Leben.

In Ihrer ersten Untersuchung, die in Zusammenarbeit mit der Werte-Akademie aufgesetzt wurde, haben Sie die persönlichen Werteprofile von Gründern und Sportlern untersucht. Was genau hat Sie daran interessiert?

Gründer und Spitzensportler haben viele Gemeinsamkeiten. Beide agieren oft in höchst wettbewerbsintensiven Bereichen, beide müssen Risiken eingehen und beide sind zuallererst selbst für ihren eigenen Erfolg verantwortlich. Daher interessierte uns konkret, ob Gründer und Sportler auch Gemeinsamkeiten im Hinblick auf ihre Werte, also ihre Leitprinzipien des Lebens, haben und wie diese mit ihrem individuellen Erfolg in Verbindung stehen. 

Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass es Parallelen aber auch Unterschiede gibt. Der Wert „Leistung“ spielt sowohl für Gründer als auch für Sportler eine wichtige Rolle. Interessant ist, dass „Leistung“ bei erfolgreichen Gründern zunehmend von dem Wert „selbstbestimmtes Handeln“ abgelöst wird. Sportler dagegen stufen in ihrer späteren Karrierephase eher den Wert „Verantwortung“ als relevanter ein.

In der zweiten Studie erforschen Sie derzeit, welche Auswirkungen die Nutzung von digitalen Kommunikationskanälen auf die Wahrnehmung persönlicher Werte hat. Wieso ist das für die Werteforschung interessant und was genau ist Ihre Hypothese?  

Wirtschaft und Gesellschaft stehen aktuell vor der Chance und Herausforderung der zunehmenden Digitalisierung. Insbesondere in der Kommunikation hat dies gravierende Folgen: Wir kommunizieren zunehmend digital, die Anzahl der verwendeten Kommunikationskanäle nimmt zu. Wir haben uns daher gefragt, wie sich diese unterschiedlichen Medien (z.B. E-Mail, Instant Messaging, Audionachricht oder Videonachricht) auf die Wahrnehmung persönlicher Werte auswirken. Genauer gesagt interessieren uns die Auswirkungen digitaler Kommunikation auf die Wahrnehmung des Nachrichtenempfängers bezüglich der persönlichen Werte des Nachrichtensenders. Diesen Zusammenhang untersuchen wir aktuell mit einem wissenschaftlichen Experiment. Die Ausgangshypothese dabei ist, dass sich die Verwendung verschiedener Medien unterschiedlich auf die Wahrnehmung persönlicher Werte und Motivation auswirkt und für diese Beziehung die Komplexität des zu kommunizierenden Sachverhaltes eine entscheidende Rolle spielt.

Prof. Gleich, vielen Dank für das Gespräch.